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Eine neue Rheinromantik ? produktiv selbstkritisch ?
Dank an Pedi und Davor für die Romantikgrillfeier am 9.5.2008
Du hast mein Herz in die Weide geschnitten
schwer zog es die Weide tief in den Fluß
nun schwimmen die Fische durch mein Herz
so viele der Fische
und du liebst nun ein Herz
das du geschnitten tief in den Fluß
und es pocht dir zwischen den Fischen
* * *
Entschuldigung, können Sie mir sagen, wie öffnet sich das Buket dieses Weins ?
Mit Schraubverschluß.
* * *
Und wie öffnet man die Romantik ?
Nur mit gebrochenem Herzen.
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Der Mond und die Rebe sie tanzen des Nachts sie liegen sich in den Armen der Bogen der Rebe umfaßt den Mond ganz steiler hinab fallen die Hänge die Berge und Ufer sie lachen dazu der Mond und die Rebe sie tanzen des Nachts der Mond umkränzt sich mit Trauben der Schiefer glänzt schwarz dazu im weiß magischen Licht
* * *
Nur wenige wußten, warum von überall in der Welt, gar von der Nordsee, wo Hallig, Watt, Inseln und Moor, wo Land und Meer halbtäglich wechselten in und zu einem Niemandsland, Niemandsmeer, alle kamen hierhin zu Karin Leue, zur Frackgalerie. Nur hier, gut versteckt, hinter all den aufgestellten bekleideten Puppen, Anprobierbüsten, wurde er aufbewahrt, in einem luftdurchlässigen Weidenkorb, Binsenkorb, so wie Moses in so einem über den Nil trieb, lag er gefaltet, eng und sorgfältig der letzte Frack der Romantik.
Ihn anzufassen allein, war schon ein Hauch voller Erhabenheit, Ehrfurcht und Scheu. Den Akademikern fielen dabei alle Zitatzeichen aus ihren Texten. Aber ihn anzuziehen, ihn einfach so anzuziehen den letzten Frack der Romantik. Das Unverfälschte. Das Orginal.
Wer hat ihn getragen, welcher Dichter, Heine oder Hugo ?
Das wußte man nicht mehr so genau. Wahrscheinlich war es sogar Brentano gewesen, der ihn zuerst trug. Allein dieser Frack, er blieb in dieser kleinen Stadt, die von allen so besungen und erdichtet wurde. Einer von ihnen, Heine, Hugo oder Brentano, ließ für immer seinen Frack hier. Und jeder spürte sofort, daß dieser Frack verzaubert war. Allein die Farben verbleichten nie, wechselten nur, man alltagshellgrau, dann Frühlingsfarben, dann tief glänzend schwarze Romantik.
Dieser Frack, er war bestimmt noch im Bann, verzaubert von dieser Hexe Loreley. Vielleicht haben alle ihn auch getragen. Zuerst natürlich Brentano. Dann zog ihn Heine sich an und machte damit Renommée, Erfolg, stach den Brentano ins Abseits, klaute ihm einfach die Zauberhexe, trickste ihn aus. Bestraft wurde er dafür mit Silcher. ( Kaum einer hört Schuhmann’s oder Schostakowitsch’s Version )
Nun, jeder ist dieser Hexe begegnet, der Loreley. Warum haben sie den Frack zurückgelassen ? Wer zog ihn als letzter aus und zogen sie ihn aus, als sie dem Bann dieser bezaubernden und verzaubernden Schönheit erlagen ? Wie ? Hastig ? Dahingeworfen ? Oder sorgfältig katholisch abgelegt, glatt in gestrichenen Bügelfalten ?
Oder zog sie ihnen den Frack aus ?
Wer zog den Frack der Romantik aus ?
Die Hexe selbst ?
Oder die verführten Dichter ? Maler ? Musiker ?
Der Fragen ist kein Ende.
Und wenn etwas die Romantik auszeichnet, daß sie keine Antworten hat.
Aber Authentisches ist unüberbietbar. Vergebens rennt selbst da das Weltkulturerbe mit Etikettenzettel- und schwindel gegen an. Ein Erbe, das dem eigenen Taumel erliegt, ohne wagen zu wollen, das Tote denn anzusehen, das es zu beerben nun gilt.
Und nur in dieser Frackgalerie, ist er noch der ursprüngliche Zauber, die Berührung der Hexe selbst, die Romantik, in diesem Frack. Mit F geschrieben, nicht mit Wr .
Von einem Künstler, der das Privileg hatte, diesen Frack kurz nur mal anzuziehen zu dürfen, habe ich mir berichten lassen.
Es wäre, auch wenn Sekunden nur schon beim Anstreifen, wie ewiger Schlaf. Wie Übernachtung ohne Frühstück. Nicht, weil die blöden Provinzbehörden aus pervertierten Vorschriften das Frühstück verbieten würden, man hätte gar kein Bedürfnis danach, nur Rausch, nur ewiger Schlaf, nicht so wie der Winter hier, nein magischer Liebestod, eine für immer verzehrende Flamme und das schon in den ersten Sekunden des Anstreifens.
Ganz zu schweigen denn, wenn das Herz berührt wird, wenn sich der Frack über das Herz legt. Solch ein Pochen. Die Hand zuckte dann automatisch zum Herzen hin, faßte den Frack dort, von außen das Tuch, den Stoff, aus dem alle Dinge sind, die Liebe, schnellte angstvoll panisch vor die Augen danach wieder sofort dann die Hand, voller Blut die Innenfläche, tropfte es auf den Boden, der doch hölzern nur war, breite Eichendielen und kein Fels hier.
Es war, als ob Flammen aus den alten Dielen schlügen, der herbe Geruch brennend ätzend beißenden Eichenholzes stach in die Nase.
Das Tuch, gewebt wie aus Seelen, an der Stelle des Herzens blutete der Frack.
Schnell zog der Künstler den Frack wieder aus. Verständlich, daß er die Hose erst gar nicht anprobierte.
Nicht auszudenken, was an Zauber, Verhexung, Findung, Kastration alles ihm hätte bevorstehen können.
Man sollte in der Romantik Hosen nicht wechseln. Weder an- noch ausziehen. Es ist besser so. Nackte Wildnis ist zu dionysisch für unser bravbiederes sauberes schön glänzendes staubfreies Weltkulturerbe. Nur die buntesten Farben leuchten plakativ knallig auf den entsprechenden Werbeseiten. Endlich nach all dem Tod Hochglanzformat.
Ich beschloß, Karin Leue nie nach diesem Frack zu fragen.
Lassen wir doch die alten Säcke, Namen und Fräcke.
Ich werde mir bei ihr was bestellen. Neu anfertigen lassen. Nichts Getragenes. Abgetragenes. Abgelegtes. Verwurmtes. Nur Verstaubt und Verwünschtes. Verfluchtes gar. Oder Aufgezuckertes. Nein.
Ich werde mir anfertigen lassen ganz neu. Einen Hut.
Einen Hut der Romantik, die selber doch schon so zu einem beliebig abgelegt alten Hut wurde.
Einen neuen Hut brauche ich für meine Glatze. Gegen den Sonnenstich. Für den Mondschein.
Ganz leicht. Nur aus Rabenfedern.
Die Feder des Raben das allein ist Romantik mir.
( Mit ihr fliege und schreibe ich, sie ist mir Kralle und Schärfe zugleich )
Ich bedarf keiner Schulen, Schuhe, Normen und Titel.
Barfuß gehe ich aufrecht über den Schiefer.
( Wie ich liebe dieses „schief“ „schiefer noch“ schizophren dunkle Gestein, das in Platten sich spaltet, erhitzt ganz und silbern doch in Sonne und Mond, selbst im Regen noch glänzt. )
Barfuß gehe ich über den Schiefer.
Mit Eidechsenhaut.
Heilig schwirrende Bienen im Herz.
Worte kahl wie Fels.
Das Unberührte tastend.
Die Räbin lacht mir. Die Hexe. Die Loreley. Diese schwarz feurig glühenden Augen der Stille. Der Findung und Ankunft.
* * *
Ein Feuer auf den Bergen der Mond zuckt mir im Gnick
mein Bart wächst in die stacheligen Beeren
und meine durst’ge Lippe nippt den Wein
wie Wasser schluckt sie dann und alle Reben tanzen und schlagen einen Bogen
um mein Leben das niemand mehr
beschneiden kann
ich bin Satyr nun ganz und will es doch nicht sein
* * *
Es soll einen Eiswein geben, aus einem Frost, den niemand kennt. Der selbst im Weltkulturerbe nicht auftaut. In jenem Frost, der gänzlich untergegangen und von dem wir nichts mehr wissen, hingen die grünblassen Trauben, ehe klirrende Hände sie frühmorgens lasen und pflückten. Sie wurden gekeltert dann. Wie Trauben immer gekeltert werden. Die Winzer wissen das besser hier. Zerstampft. Zertreten. Enthäutet. Entkernt. Zermahlen. Zerpresst. Zermatscht.
Jener Eiswein, von dem es nur noch eine Flasche gibt, dessen Etikett längst im Hochwasser abgelöst und dahingeschwommen, der aber immer noch gut zugekorkt, und nicht verschraubt, wird gut gehütet, behütet.
Doch nicht aus Sorge um den Wein.
Aus Sorge um den Menschen.
Sei auf der Hut !
Auch wenn es die Weinbergslage längst nicht mehr gibt, längst verbuscht, verheckt, verdorrt, verwaldet gar, voll Krüppelholz und Krüppeleichen, Niedriggebüsch weglos. Nutzbar nur, um Hunde zu begraben.
Bewohnt von Eidechsen, Bussarden und Milanen.
Auch wenn sich in dieser Flasche längst wie bei jedem Eiswein der Frost in Feuer, Öchsle und Süße verwandelt. Niemand weiß, wenn er einen Schluck nur dieses Feuers nippt, nimmt, trinkt, ob dann nicht doch trotz Weltkulturerbe, Aufklärung und Sonnenhitze, nicht doch ein Stück wieder auftaut von diesem alten Frost, den niemand mehr kennt und der doch einmal das ganze Land bedeckte.
* * *
Hier ist das Land wo Ratten nisten Marder, Füchse Wölfe einst
wo enge Mauern Schatten werfen Verliese, Keller Tiefe ganz
wo Gassen kreuz und quer und buckelig voll Löcher in dem Pflaster sind
wo Dächer spitzgiebelig und krumm gebogen hölzern Balken krachen, ächzen
wo Brunnen zugeschüttet Mauern abgetragen Tore offen und die Schlüssel rostig sind
wo Burgen hoch am Berg und Türme rundum Stadt der Strom umspült die Ufer, Weiden, Pappeln Krippen, Inseln, Nachen
der Weinberg kahl wenn längst der Weißdorn blüht doch dann zieht grün die Rebe über Hügel hin
hier ist das Land wo Dohlen nisten in Ruinen, Türme Schornstein, Dach
der Rauch fliegt über Dächer die im Regen silbrig glänzen
der Lärm erdrückt die Ohren Flugzeug, Auto Zug, Karren, Schiff Echo, eng die Gass
hier ist das Land wo ganz betäubt der Duft des Goldlacks und des Flieders
wo Veilchen über Wiesen streuen sich die Margarite und der rote Mohn
hier ist das Land wo in der Enge ganz das Tal der Strom durchpulst durchpocht die Herzen Felsen, Klippen, Berge
wo Seitentäler schmal und lang sich ziehen wie Schlangen hin zu fernen Höhen mit den schönsten Blicken
hier ist das Land das Heine fand Hugo verehrte Brentano sang
wo Sagen hängen an den Klippen die Schwalbe fliegt hin über Dächer Fledermäuse durchziehen ganz die Nacht
in Höhlen Zauber wohnt die Hexe wacht noch über Ritter, Zwerge, Riesen
Klöster, Kirchen und Kapellen Römermauer, Heidengrab Fischernest, Lotsenstadt Diebesturm, Liebesturm
wo alles nur Kulisse ist und doch Natur
Fachwerkfassaden
und doch sollten stürzen die Balken aus allem Gebälk hebt sich empor
läßt grüßen die Wälder schenkt Sonne den Reben Wasser dem Leben
die Wurzel des Rheins
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Unsere Liebe sonnenerhitzt Schiefer tausendjähriger Schlaf einer Eidechse und der kurze Flug eines Raben
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Der Mond und der Rabe
was brauchen wir mehr
noch etwas Fels
und das Leben durchschreiten
in der Hand eines Traums
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heute ist morgen schon das ist Romantik eine Vorwegnahme die man immer verpaßt aus dem Stillstand schon heute hier ohne zu wissen wie ging es denn aus was ist da Sieg ? wenn nicht das Zittern die Spannung, der Atem das Spiel
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Hier tanzten wir und du bist tot und sahen uns zuletzt im rumänischen Sand am Schwarzen Meer und die Karpaten schrieen dabei ein, zwei, drei der gemeinsame Schrei
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Warum funktioniert bei ihnen die Romantik nicht ?
Sie haben kein Leben.
Nein, sie haben keinen Tod.
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Die Romantik ist das Antiprogramm zum Weltkulturerbe sie verlängert die Halme nicht sie senst
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Die Raben krächzen das Aber immer wieder das Aber schrill in die Nacht hinein und es tagt
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Die Mirabelle mundet doch die Quitte sticht in den Hals dir den Brand
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Ich habe die Risse gesammelt von all diesen Mauern die Mauern die Halten die Risse sieht man nicht mehr
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Du und ich wissen der Tod ist nur ein flacher Schatten über unsrer Haut
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Da kann ich mich erinnern wie Bücher verbrannt wurden sie sprechen lauter sie wissen, daß ich da bin und doch nicht anwesend sie wurden geschoben in den Bus damals die Leiche im Münzbach es gibt kein Ohr für das Unerhörte für das Ungehörte ich höre nicht hin das ist Romantik die Toten im Ohr ohne Namen zu nennen
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Sie segnen ab und filtrieren von oben Kreisvolkshochschulen emsig die ansonsten nur taub und haben schon immer wenn von oben kam ministerial aufgeklärt die Daten die aufgeklebt etikettieren die Schreie die nie geschrieenen auch welcher Platz wird ihnen von oben zugewiesen den Verstummten Vergasten wer tritt an das Erbe das Vergessen ?
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sie schützen die Fledermäuse den Flieder und sammeln für eine Orgel die stumm ist
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Hier in Diebach ist ein Grab um das ich mich nicht kümmere und das Unkraut schreit Lobe den Herren und die ehrenwerten Herren sehen unter dem Laub nicht mehr den Namen des Vergasten wissen es nicht oder wollen es nicht lesen in der Chronik nur nie wurde ...
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siehst du jetzt bin ich wieder da wo ich bin und doch nicht hin wollte nicht sein wollte daß ich nie hier bin wo ich bin das ist Romantik
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Da kommt sie die alte Dame die Goethe und schaufelt das Wasser
früher umflogen Möwen die weißen Dampfer mit den schwarzen Schornsteinen
ihr schriller Schrei durchstieß die Mittagshitze
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Der Himmel weiß der Strom ganz blau
die Flagge umgekehrt
grüßt oben blau und unten weiß
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