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Friedrich G. Paff,
geb.1950 in Bacharach am Rhein. 1983 erschien sein Buch „Die Hexe von
Bacharach “, das von der Deportation der Juden dort und der
„Euthanasieopfer“ handelt. Friedrich G. Paff lebt in Marburg und war
lange Zeit dort Vizevorsitzender der Neuen Literarischen Gesellschaft.
Abends unterrichtet er „Deutsch für Ausländer“ in Gießen. Er nahm oft an
internationalen Schriftstellertreffen teil, besonders in Moskau oder in
Vilnius. Beiträge von ihm wurden übersetzt ins Russische, Litauische,
Slowenische, Italienische, Englische, Polnische. Weitere Bücher von ihm:
„Da wo die Sprache beginnt“ 1983; „Die Akte Klibansky“ in „Zwischen
Unruhe und Ordnung. Ein deutsches Lesebuch“ 1989, und unter dem Namen
Andreas Thorn „Das Haus der Romantik“ 2001. 1996 hielt er den
Begrüßungsvortrag zu der Marburger Tagung „Die soziale Poetik
therapeutischer Gespräche“. In seinem 1988 erschienenen Zyklusauszug
„Der Analytiker“ schrieb Paff : „Es gibt Krankheit und Gesundheit, und
diesen Ausweg : Patienten zu haben.“ Im Schaffen und Schreiben Paffs
bleibt die Erinnerung an einen in Hadamar vergasten Familienangehörigen
wach und virulent: „oh ihr Normalen wißt/Verrückte und Kinder/vergessen
nicht/ohnmächtig schwach/speien sie euch aus/verschmähen eure Sprache“.
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Einladungen zu Lesungen, Vorträge, Seminare, Gespräche an
FGPAFF@gmx.de zu Literatur und Sprache Geschichte , Kultur Manipulation , Vergessen Gegen den Strom nicht vergeblich eine autonome Position Ufer zu finden Atem nicht zu verlieren
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Ich war in der weißen Stadt frag nicht, wo sie liegt schneebedeckt sind die Berge gewaltig und hoch vor denen sie in der Ebene unübersehbar weit sich erstreckt verwinkelt, voller Gassen als du über die Brücke wolltest an der sie bauten, aufgerissen der Asphalt die letzte Strecke nur Sand mußtestest du zurück die Schlangen seitwärts im Sand die Wächter der Brücke schlugen nach dir still kamen sie herangekrochen in dieser Stadt das weißt du leben alle deine Geheimnisse die gelebten und die ungelebten Stunden die Institute tragen hier keine Namen die Pubertierenden sitzen hier auf den Geländern sie haben das Leben noch vor sich in dieser Stadt kommt man nicht an diese Stadt verläßt man auch nicht auch wenn man nicht weiß wo sie sich befindet es gibt keine Stadt in der sie nicht ist die weiße Stadt weißt du ich komme aus ihr der ich sie nie verlasse immer in ihr bin im Schatten ihrer mauern wuchs ich auf, ihren Fluß hab ich nie gesehen ich bin nie über die Brücke gegangen all meine Geschichten kehren des morgens die Straßenfeger hinweg wenn mich einer fragt wo bist du zu Haus was soll ich ihm antworten nur in der weißen Stadt das weiß ich hier hab ich dich zu letzt getroffen hier traf ich ihn und ihn und sie wir sprachen wie wir sonst nie sprachen wir lebten wie es sonst kein Leben gibt alles ist neu und selbst das ganz alte ist hier zugegen wie für immer verwandelt nichts ist vorbestimmt und doch alles kommt an, selbst die vergessenen Schritte die abgelegten Ängste, Schatten und das erste Tasten bleibt das erste Tasten hier, wird nicht senil verwanzt die Stadtpläne wechseln täglich das stimmt aber die Stadt bleibt was sie ist ich bin ein Bewohner der weißen Stadt mein Paß lügt, egal was sie da eintragen die Adresse der weißen Stadt das bin ich nur wen ich hier treffe, dem vertraue ich all meine Freunde sind da, es sind nicht viele was macht’s, daß der tot ist, hier sind alle zugegen und einsam des morgens geh ich zur Brücke hinter mir die Gassen mit ihren nächtlichen Schreien soll ich wieder zum Fluß, durch den Sand zu den Schlangen ich bin ein Bewohner der weißen Stadt niemanden kann ich es sagen dir kann ich es sagen ich komme aus der weißen Stadt die ich nie betrat und aus der ich doch nie herauskam unter derem Schnee ich immer lebe im Angesicht der Schlangen die die Brücke bewachen über die ich nie ging nur meine Füße wuchsen immer tiefer in den Sand
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neues Buchprojekt und Roman : | Karpatische Stille | ||||
Literaturbetrieb oder
Vom Kampf der Katzen und der Mäuse
Von vorneherein. Ich gehöre zu den Mäusen. Man kann da nichts machen. Ist hineingeboren. Mausgrau. Mehr gab die Farbpalette bei der Geburt nicht her. Im Gegensatz zu unseren Todfeinden den Katzen sind wir immer nur einfarbig, nicht gescheckt oder gefleckt. Die schizophrene Wahl, die Aufspaltung, das Tragen zweier Farben, steht uns nicht zur Verfügung. Wir tarnen uns nicht bei der Jagd, wir werden gejagt. Von diesen Katzen. Von denen es einfarbige gibt und auch zweifarbige, ja manchmal gar in seltenen Exemplaren zwischen schwarz und weiß noch rostrot ein dritter Farbansatz. Die Katzen sind überall. Und wo immer du eine Chance siehst, einen Weg - diesselbe Katze, selbst über Ländergrenzen hinweg, sitzt wieder vor dem neuen Loch. Sie beißen nicht einfach zu. Nein, das wäre ein einfacher Tod. Ein schneller Biß. Sie spielen mit uns. Unschuldig. Als ob wir nie existiert, noch ein Recht darauf hätten. Nur ein Garnknäuel, dessen Todesschreie man überhört. Bis wir erstarrt sind vor Angst. Gelähmt in Sprachlosigkeit, die den leeren Raum schafft für das Schnurren der Sieger. Die lassen uns wieder zu Atem kommen, um ihr grausames Spiel fortzusetzen. In dieser Kultur- und Unterhaltungsindustrie haben wir entschieden den schlechteren Part. Warum man nur die Katzen für domestiziert hält und uns nicht ? Man stelle sich vor, daß der Mensch daran Gefallen fände, diese sadistischen Ungeheuer auch noch zu streicheln. Beim Anblick einer wehrlosen Maus schrecken die Menschen auf, aber beim Anblick dieser Exemplare der Tiergattung Raubtier, die in unseren Augen ja die grüne Schlitzäugigkeit und die Größe eines Tigers haben, überkommen den Menschen Kuschel- und Wonnegefühle. Uns mag der Mensch nicht sehen, die wir schon in der Vorzeit seine frühen Kornkammern begleitet haben. Als ob die Menschen Angst hätten vor ihren eigenen Kellern. Was sie wohl darin vor sich selbst versteckt und verborgen zu halten trachten ? Wir haben mehr Bücher angenagt und in uns verschlungen als je eine Katze daran gerochen. Und doch hält man diese analphabetischen Katzen für zivilisiert und uns nicht. Katzenliebhaber sind Menschen, die Mord aktzeptieren. Wir Mäuse haben ein Recht, dies zu beurteilen. Aber auf uns hört man ja nicht. Wir lassen uns nicht blenden, nur jagen und verstummen. Und sind wir nicht treuer als Katzen. Wir harren selbst aus in Ruinen und zerbombten Häusern und verlassen als letzte das sinkende Schiff. Und doch, uns will man nicht sehen. 'Maus' reimt sich auf 'Haus'. Leider aber auch auf 'Raus!'. Katze reimt sich nur auf 'Fratze,' 'Tatze'. Bei allem Gepussie, Peterchen und Gekose uns gibt man noch nicht einmal einen Namen. Zur Unperson, zum Untier verschweigt und entwürdigt , enttiert man uns. Nur weil wir den Menschen keinen falschen Schmu vormachen. Kein zweideutiges Miauze und Geschnarre. Wie schon Herbert Heckmann diese alte Mäuseeinsicht über die Katze für die Menschen formulierte, wir Mäuse legen keine Verdauungspausen nach mörderischem Fraß ein, die die Menschen in ihrer eigenen Kälte wohl als Ruhe und Behaglichkeit mißdeuten. Merken die Menschen eigentlich nicht, daß die Katzen nur ins Leere glotzen, in die Sattheit ihres dumpfsinnigen Triebs und in ihre eigene von der Hölle vorgezeichnete Egozentrik. Freier sind wir als die Katzen, unabhängiger von menschlicher Fürsorge, erwachsener, Löcher und Abgründen offen, nicht länger mehr steiftierartig infantil verhätschelt. Freier sind wir und doch mehr ans Haus gebunden. Warum haben wir nicht ansatzweise eine Chance auf Respekt und Achtung ? Nur weil keiner von uns je promovierte ? Uns gönnt man keinen Happen. Dem Katzenvieh aber läuft man nach mit den verschiedensten Dosen und Kittekat. Wir fordern im Supermarkt das Recht auf grünpunktverpackten ungeschrotenen Mäuse-vielkorn. Jene Katzen, die selbst singende Vögel töten, haben Besitzer, die das Wort 'Tierschutz' noch in den Mund nehmen. Wir legen uns nicht auf die pulsierende Kehle kleiner Kinder und ersticken sie. Tödende Wärme. Katzenzuneigung endet so in lebensbedrohender Erstickung. In dem seidennen Glanz des Fells der Raubtierungeheuer verbirgt sich nichts an Sanftmut; alles ist nur Tarnung, Täuschung. Alles ist nur Fischgier und Kralle. Haben die Menschen jemals eine Katze Fisch fressen sehen? Haben die Menschen je das Täuschungssystem der Katzen durchschaut? Ruhe, die wenn nicht gefräßige Stille , nur das Ablenken und Auflauern dieser listigen Biester ist. Baldrian, das doch beruhigt, warum stört es diese lügenhafte Ruhe der Katzen gänzlich? Ihr Anschleichen ist nicht sanft, es ist schon der berechnende Sprung und mörderische Biß. Dabei verzerren sie die Augen schrecklich. Und doch scheint nur da ein ungebremster instinkthafter Moment der Wahrheit auf, nur töten zu wollen, gänzlich, gierig und mit Lust. Die Katzen, diese Haie des Mais in ihrer Brunst, was ist die Liebe ihnen außer unerträgliches Gejaule, um nur um so schneller dann völlig unpersonell abzustummen. All diese Pussies, Mäxchen und schwarze Samtteufelchen haben kein Namensgedächtnis. Nur einen - angesichts ihrer unkommentierten Taten und Lüsten - neurotischen Waschzwang, verdächtig wie jeder falsche Reinlichkeitskult. Bekanntlich werden außer Hexen Henker von Katzen begleitet, Triebtäter des Nachts, wenn alle Katzen grau sind, und Kunst- und Literaturmäzene. Letztere, weil sie wohl insgeheim die sanfte Verstellungsart der Katzen schätzen und ahnen, wie diese uns Mäuse aus dem öffentlichen Raum aussparen, uns in die sprachlosen Löcher jagen, wo keiner von uns Notiz nimmt. Wir sind es, die im Dunkeln sitzen und sitzen bleiben. Bis man uns mit Gesang, Pfeifen und Trillern wieder hinauslockt wie damals bei unseren größeren Verwandten , den Ratten, deren Image uns ja gänzlich schadet. Wir Mäuse können nur Mäuse sein. Wir können unserem Schicksal und unserer Geburt nicht entfliehen. Und doch sind wir stets auf der Flucht. Darin radikal ehrlich, wenn auch von niemanden vernommen. Wir haben in den Kellern mehr Wein genippt an muffigen Fässern als je auf kostbaren Teppichen die Katzen. Aber auch wenn wir beschwippst sind und stark uns momenthaft fühlen, der Weg der Ratten, ihrer Bisse, die es den Katzen endlich gleich tun wollen, ist ein falscher. Eine Sackgasse unserer Gattung. Wir haben den sanfteren zu wählen. Wir fliehen, also sind wir. Und doch gibt es in unseren Illusionen die grimmige Mär, von einer gewaltigen Zauberkraft, die in einer kleinen Maus versteckt sei, sozusagen ein böser Zauber, Zauberer, vor dem einst alle Katzen gestiefelt oder ungestiefelt davon laufen würden. Aber dann wären wir ja die Katzen. Wie tief doch die Feinde in uns gebettet sind. Jenem Bischof auf seinem Turm im Rhein blieb vor seinem sarglosen Tod nichts als uns, man nannte später den Turm sogar nach uns. "Mäuseturm". Und wenn zwei Menschen ganz einsam auf einer Insel versteckt sind, dann sagen sie, komm wir mausen, und nicht , wir katzen. So sind wir doch noch nicht gänzlich aus dem öffentlichen Leben und der psychischen Gefühlswelt und Sprache der Menschen verdrängt. Den Katzen bleibt noch viel zu tun. Und ohne uns wären die Katzen ärmer, wir aber wären dann mächtiger, ihnen ähnlicher. Was, welchen Zustand soll man nun bedauern ?
Andreas Thorn
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