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Durch den Zitronenhain siehst du die
Stadt auf dem Berg.
Wir gehen durch die Zitronen hindurch.
Unsere Stadt plötzlich erwacht sie am Berg.
Vom Turm der Kirche hast du einen Blick auf das endlose Meer.
Seine Bläue unter der Sonne
blendet dich.
Wir werden die Schiffe
sehen, die vorbeiziehen zu den Küsten, deren Staub an unseren Füßen
klebt, ohne daß wir es wissen.
Jetzt gehen wir durch ganz enge Gassen, Bogen in der Höhe überwölben
sie.
Die Häuser stehen so eng, daß die Sonne kaum Licht auf das steinige
Pflaster zu werfen vermag.
Ein Pflaster aus schwarzem Granit mit hellen Marmorstreifen.
Am Turm die Uhr, ihre Zeiger sind abhanden gekommen. Schwarze Ziffern
nur auf der rötlichen Fläche der Ziegel. Daß man aus kleinen Ziegeln
einen Turm so schmal und hoch bauen kann.
Amulette bieten die
Händler an in den Gassen. Kleine Elfenbeintürmchen, Drachenzähne,
Vogelfedern und Masken aus grüner Jade.
Was hängen wir uns um den Hals ? Sag !
Welche Ketten und Fesseln ?
Welches Glück ?
Das Meer sehen, das unter uns liegt. Länder erahnen, deren Strände aus
weißem Sand.
Körper wieder werden ganz und sich auflösen, Sonne und Atem, Wind und
Luft nur.
Komm laß uns fliegen !
Kurz nur flattern in den engen Gassen und dann in die Höhe hinaus und
hinauf.
Unter uns brechen sich die Wellen und ziehen langsam und schwerfällig
die großen Schiffe ihre Bahn.
Aber in diesem Nest hier, in diesen engen Gassen und hohen schmalen
Ziegeltürmen wartet etwas auf uns,
Und wir wissen nur noch nicht was.
Sonst hätten die Zitronen uns den Weg nicht hierhin gezeigt.
Irgendetwas wartet auf uns.
Das wir immer schon waren.
Immer schon sind.
Aber wer sagt es uns was ?
Vermögen wir selber es uns zu sagen ?
Dieses Fischgeschäft an der Ecke neben dem viereckigen modernen
Kondomautomaten, Zigarettenautomaten gibt es hier nicht, ist völlig leer
geräumt. Unter steinernen Bögen direkt an der Ecke seine Auslage, alles
leer jetzt, sauber geräumt, kalte Theken, feuchte Schalen und Flächen,
ein dunkles Gewölbe, das pausiert im Moment, Mittagsruhe und doch ist
alles durchdrängt, strömt von hier in die Nachbargassen hinein
Fischgeruch.
Hier atmet das Meer in der Enge der Stadt.
Aber wo ist das Herz, ihr Herz ?
Komm laß uns Fische sein, wir strudeln durch die engen Gassen hindurch
zu dem Sog der weiten Plätze und zurück um die kantigen Türme hindurch.
Stell dir vor, alles ist voller Algen und von den Kirchenglocken
herunter rieselt lautlos der Sand.
Cinema Italia. Unter Wasser alles. Unterirdisch. Selbst das Himmlische.
Vulkanisch.
Aus der Tiefe brodelt der Bollente. Römische Therme voll Sulphur und
Brom.
Piemontesische Kirschen gibt es gar nicht, wie Ferrero für sie Reklame
macht.
Die Piemonteser Spezialitäten, die du gekauft hast, waren voller Maden.
Du hättest die Trauben klauen sollen, die schweren, roten, die überall
hingen im Monferrato.
Jetzt aber sind wir hier.
In dieser Stadt, deren Name wir sind.
Und sind keine Fische. Deine Füße schmerzen und doch drängt es dich
weiter, auch die letzten Winkel zu erspähen, die engsten, schmutzigsten
Gäßchen.
Komm wir rollen Zitronen hindurch.
Drei Teile kaufst du. Drei Teile von was ?
Ist was wir suchen dort bei den drei Jungen, die dort eng
zusammenstehen, verschwiegen, heimlich, die handys beäugen in ihren
Händen ?
Greif in den Rachen des Löwen! Versteinert liegt er dort. Neben ihm die
gewaltige goldene Kugel, deren kleinen Ableger du heute morgen an dem
eisernen Ofen gesehen.
Diese alte Basilika ist umgeben von steinernen Löwen.
Ob auch Drachen sie umfliegen ?
Bunte aus Papier ?
Nein, sieh, eine Afrikanerin mit einem Riesenballast auf dem Kopf greift
in das Maul des Löwen und mit der anderen Hand fächert sie ihm Luft zu
mit einem Fetisch aus lauter schwarzen Rabenfedern.
Was hat diese Basilika nicht alles gesehen ?
Die ausgeräumt nun hier steht.
Das steinerne Taufbecken auf dem Marktplatz.
Die hohen Sakrophage neben den Bars.
Grabsteine an den Schaufenstern aufgestellt, deren Inschriften wir zu
lesen vermögen ohne die Sprache zu verstehen.
Sprachlos scheint hier alles steinern zu werden. Abgeschattet in engen
Gassen und dunklen Gewölben.
Aber die Sonne sticht hier in die Stadt ihre unerbittliche weiße Glut.
Aufgehitzt lachen wir und bunte Tücher umwirbeln uns. Plötzlich bemalen
sich
sich die ältesten
Portale mit fremden Farben. An den grauen Häuserwänden erscheinen
Bilder. Wir basteln lauter gelbe Sonnen aus Papier und hängen sie in die
dunklen engen Gassen.
Sie leuchten hell auf.
In deinen Augen glänzt alles Sonne.
Wir haben unsere Stadt gefunden. Die Zitronen haben sie uns gezeigt.
Kennst du das Land, wo wir uns blühen ?
Das Gras verdorrt, das doch beim ersten Regen wieder grünt und frisch
entsteht, verwandelt sich.
Die Zitronen haben uns die Stadt gezeigt. Wird es die Stadt unserer
Verwandlung ? Die Stadt mit den engen Gassen und den hohen schmalen
Türmen, wo die steinernen Löwen um die Basilika lagern.
Wüstengleich ist das Klima. Wir brauchen das Obst hier nicht abwaschen.
Aus den Karaffen fließt uns der rote Wein.
Die Stadt überm Meer döst in der Sonne.
Wolken ziehen über sie hinweg.
In ihren tiefen Brunnen, wenn ausgedorrt sie sind, schweigen die
Skorpione.
Komm laß Käfer uns sein und kriechen zart über antike Marmorreliefs,
Gesichter, Lippen, Körper.
Vielleicht verstehen wir, was sie flüstern uns aus ihrer steinernen
Starre, welche Hände sie behauen, geformt.
Alles sind wir uns hier.
Hier in unserer Stadt.
Vögel, Fische, Käfer.
Wir kriechen, fliegen, schwimmen.
Wie schön ist es Mensch zu sein. Sonne und Atem. Sprache und Traum.
Unsere Lippen werden sie sich berühren, werden sie zittern, wenn die
Götter erscheinen wieder verjüngt in ihren meerhin, berghin gebauten
frühen Städte ?
Sei Sarazenin mir, köpfe mich wie du mich immer geköpft hast. Sieh oben
am Turm hängt mein Kopf und lächelt dir zu.
Trag mich sanft wie Salome meine Judith Holofernes das Haupt, auf
flacher Schale.
Durch diesen weißen Friedhof der Stadt mit dem alles überragenden
schwarzen Bronzeengel, sollen wir durch die kleinen weißen Kapellen, an
den Marmorwänden entlang mit all den Namen kriechen, fliegen oder
schwimmen ?
Sei Schlange mir, Habicht , Skorpionin.
Wir schenken den Toten Zitronen, was können wir sonst ?
Wir geben dem Tod die Zitrone in die Hand, als Lohn, nein als Hohn.
Sie paßt gut zu seinem schwarzen Gewand.
Die Hölle wird
ebenirdisch sein und behindertengerecht.
Räbin wir fliegen über Zitronen wie Schatten um die Sonne.
Im Zitronenhain haben wir uns gefunden.
Er hat uns den Weg gezeigt.
Zu unserer Stadt. Zu der Stadt der Löwen und Zitronen, der hohen
schmalen Türme und der engen Gassen, wo der Fischgeruch noch hängt an
der Ecke, wo leergeräumt das dunkle Gewölbe neben der Uhr, die zeigerlos
in den Himmel nur starrt.
Räbin wie kommt es, dass wir zwischen Himmel und Inferno nie zu
unterscheiden vermögen, daß wir zwischen Leben und Tod ein Flug nur
sind, eine Sprache, ein Schweigen, ein Flügelschlag absurder unendlicher
Stille. In dieser Stadt Räbin ist Ferne und Nähe eins, Meer und Berg.
Himmel und Erde sind eins. Gott, Mensch und Tier.
Sommer nur. Atem. Zitronengelb.
Lass uns fragen in dieser Stadt, das, was wir suchen!
Wen fragen wir ?
Wer gibt uns Antwort
?
Wir selbst ?
Der Wind, der vom Meer her weht ?
Der weiße Sand, der in der Brandung unbewegliche Klumben wieder zu Füßen
macht ?
Der weiße Sand, dessen eine Korn wir selber zeitlos sind, umspült von
fremden Welten, abgelegt ?
Die gewaltigen Palmen fragen wir nicht, die von Touristen nur bestaunt
werden.
Ich weiß, wen wir fragen.
Ich weiß, du liebst sie wie ich.
Ihre trotzige und doch majestätisch stolze hohe Gestalt, wie schmal und
hoch sie sich in den Himmel reckt alles überschauend, wie sie auf
Friedhöfen wacht, wie auf den befahrenen Küstenstraßen.
Baum des immergrünen Lebens und der weißen Totenstädte.
Sie allein vermag Antwort nur zu geben, weil sie das Schweigen ist.
Hochragendes einsames stolzes Schweigen.
Ruhende Stille.
Unbrechbar.
Wir fragen die Zypresse.
Wir fragen sie, ob wir es ertragen könnten, eine Sekunde nur, Körper und
Seele eins uns zu sein.
Siehst du die zwei Raben, wie sie flattern, sie haben sich aus dem
Norden verirrt hierhin, hier ist kein schwarzes Meer, nur unendliche
Bläue, schwarz nur die Oliven.
Durch den Zitronenhain fliegen die Raben, durchs steinerne Renaissance -
Tor in die Stadt der hohen schmalen Türme und der engen Gassen.
Weit schauen Türme und Basilika auf das Meer.
Und über der Stadt, über ihrem weißen Friedhof auch, über dem
geschäftigen Treiben der engen Gassen, über dem Schweigen der Toten,
wacht eine Zypresse, wacht und lacht über die Raben, diese zwei
Nachtfalter, deren vergebliches unaufhörliches Krächzen, wie sie
moskitogleich flattern um die Zitronen herum.
Wie sie sich suchen und finden und nicht finden im Schweigen der
Zypresse.
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