Andreas Thorn

 

 

 

 

 

 

Friedrich G. Paff

 

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Ich war in der weißen Stadt

frag nicht, wo sie liegt

schneebedeckt sind die Berge

gewaltig und hoch

vor denen sie in der Ebene

unübersehbar weit sich erstreckt

verwinkelt, voller Gassen

als du über die Brücke wolltest

an der sie bauten, aufgerissen der Asphalt

die letzte Strecke nur Sand

mußtestest du zurück

die Schlangen seitwärts im Sand

die Wächter der Brücke

schlugen nach dir

still kamen sie herangekrochen

in dieser Stadt das weißt du

leben alle deine Geheimnisse

die gelebten und die ungelebten Stunden

die Institute tragen hier keine Namen

die Pubertierenden sitzen hier auf  den Geländern

sie haben das Leben noch vor sich

in dieser Stadt kommt man nicht an

diese Stadt verläßt man auch nicht

auch wenn man nicht weiß

wo sie sich befindet

es gibt keine Stadt

in der sie nicht ist

die weiße Stadt weißt du

ich komme aus ihr

der ich sie nie verlasse

immer in ihr bin

im Schatten ihrer mauern

wuchs ich auf, ihren Fluß

hab ich nie gesehen

ich bin nie über die Brücke gegangen

all meine Geschichten kehren des morgens

die Straßenfeger hinweg

wenn mich einer fragt

wo bist du zu Haus

was soll ich ihm antworten

nur in der weißen Stadt das weiß ich

hier hab ich dich zu letzt getroffen

hier traf ich ihn und ihn und sie

wir sprachen wie wir sonst nie sprachen

wir lebten wie es sonst kein Leben gibt

alles ist neu und selbst das ganz alte

ist hier zugegen wie für immer verwandelt

nichts ist vorbestimmt und doch

alles kommt an, selbst die vergessenen Schritte

die abgelegten Ängste, Schatten und das erste Tasten

bleibt das erste Tasten hier, wird nicht senil verwanzt

die Stadtpläne wechseln täglich das stimmt

aber die Stadt bleibt was sie ist

ich bin ein Bewohner der weißen Stadt

mein Paß lügt, egal was sie da eintragen

die Adresse der weißen Stadt das bin ich

nur wen ich hier treffe, dem vertraue ich

all meine Freunde sind da, es sind nicht viele

was macht’s, daß der tot ist, hier sind alle zugegen

und einsam des morgens geh ich zur Brücke

hinter mir die Gassen mit ihren nächtlichen Schreien

soll ich wieder zum Fluß, durch den Sand zu den Schlangen

ich bin ein Bewohner der weißen Stadt

niemanden kann ich es sagen

dir kann ich es sagen

ich komme aus der weißen Stadt

die ich nie betrat und aus der

ich doch nie herauskam

unter derem Schnee ich immer lebe

im Angesicht der Schlangen

die die Brücke bewachen

über die ich nie ging

nur meine Füße wuchsen

immer tiefer in den Sand

 

 

 

 

Foto oben : Günter Jahn